Wie Farben unsere Nase täuschen: Die faszinierende Studie „The Color of Odors“

Wie Farben unsere Nase täuschen: Die faszinierende Studie „The Color of Odors“

Sandra Wimmer

Stell dir vor, du nimmst einen tiefen Zug von einem Glas Rotwein – du erwartest dunkle Beeren, vielleicht etwas Holz, vielleicht sogar eine Note von Tabak. Doch was, wenn du in Wahrheit einen Weißwein in der Hand hältst, der nur rot eingefärbt wurde?

Genau diesem verblüffenden Szenario widmet sich die Studie „The Color of Odors“ von Frédéric Brochet (2001), einem französischen Önologen, der mit einem simplen, aber genialen Experiment aufzeigte, wie stark unsere Sinneseindrücke miteinander verknüpft sind – insbesondere Sehen und Riechen.

Brochet servierte Weinexpert:innen einen Weißwein, den er mit einem geruchsneutralen Farbstoff rot eingefärbt hatte. Das Ergebnis? Die Mehrheit der Teilnehmer:innen beschrieb den Wein mit typischen Vokabeln für Rotwein: „kräftig“, „beerig“, „würzig“. Niemand erkannte, dass es sich tatsächlich um denselben Weißwein handelte, den sie zuvor (ohne Farbstoff) ganz anders beschrieben hatten.

Was sagt uns das? Unsere Geruchswahrnehmung – so individuell sie scheinen mag – ist erstaunlich formbar und stark durch visuelle Reize beeinflusst. Farben lösen automatisch bestimmte Erwartungen aus. Wenn wir etwas Rotes sehen, erwarten wir einen bestimmten Geschmack oder Duft – unser Gehirn füllt die sensorischen Lücken oft unbewusst aus.

Diese Effekte beschränken sich nicht nur auf Wein. Auch in der Parfümindustrie, im Marketing und in der Gastronomie wird das Zusammenspiel von Farben und Düften gezielt genutzt. So empfinden wir einen Zitronenduft als frischer, wenn er mit Gelb assoziiert wird – und als seltsam, wenn er etwa in einem blauen Flakon steckt.

Die Studie hat eine breitere Bedeutung: Sie zeigt, wie stark unsere Wahrnehmung von Kontext, Erfahrung und Erwartung beeinflusst wird. Unsere Sinne sind kein objektives Messinstrument – sie sind ein Team, das zusammenarbeitet, sich gegenseitig beeinflusst und manchmal sogar täuscht.

Fazit: „The Color of Odors“ ist mehr als eine kuriose Anekdote aus der Welt des Weins. Es ist ein eindrucksvolles Beispiel für multisensorische Integration – ein faszinierender Einblick in die Art und Weise, wie unser Gehirn Sinneseindrücke kombiniert und interpretiert. Und es erinnert uns daran, dass Sehen und Riechen viel enger verbunden sind, als wir denken.

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